Steuerlichen Anerkennung von rückwirkenden Rechtsgeschäften

Rückwirkende Rechtsgeschäfte werden im Steuerrecht nur unter speziellen Voraussetzungen anerkannt. Dies gilt auch für Vereinbarungen, die zunächst schwebend unwirksam abgeschlossen und nachträglich rückwirkend genehmigt werden.

Ein Bauunternehmen schloss mit einem Vertreter der Gewerkschaft eine „Betriebsvereinbarung“ ab, die den Mitarbeitern ab der dritten Arbeitsstunde ein steuerfreies Taggeld von € 2,20 pro Stunde gewährte. Im Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung im Jahr 2017 verfügte das Unternehmen allerdings über keinen Betriebsrat, der dafür jedoch erforderlich gewesen wäre. Aus diesem Grund entschied das Finanzamt im Rahmen einer späteren Prüfung, dass die Betriebsvereinbarung ursprünglich nicht gültig zustande gekommen sei.
Im September 2022 wurde daraufhin ein Betriebsrat gegründet, der die Vereinbarung von 2017 nachträglich genehmigte. Daher legte das Bauunternehmen Beschwerde gegen die Bescheide des Finanzamts ein und brachte vor, dass die Taggelder aufgrund der rückwirkenden Genehmigung durch den Betriebsrat steuerfrei bleiben müssten.

Hintergrund

Eine Betriebsvereinbarung ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Betriebsinhaber und dem Betriebsrat. Eine derartige Vereinbarung regelt bestimmte lohngestaltende Vorschriften, wie in diesem Fall die Auszahlung von Taggeldern.
Im Zivilrecht gibt es die Möglichkeit, schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte rückwirkend zu genehmigen, wenn im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung das zuständige Organ nicht eingerichtet wurde, dieses die Vereinbarung jedoch im Nachhinein bestätigt.

Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes (BFG)

Das BFG stellte fest, dass zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung ein Betriebsrat notwendig ist. Ohne das zuständige Organ (Betriebsrat) kommt keine gültige Betriebsvereinbarung zustande und die gezahlten Taggelder können nicht steuerfrei behandelt werden. Folglich müssen die betroffenen Zahlungen nachversteuert werden.

Die Betriebsvereinbarung aus dem gegenständlichen Fall ist als schwebend unwirksames Rechtsgeschäft anzusehen, das vom Betriebsrat zivilrechtlich rückwirkend wirksam gemacht wurde. Allerdings argumentiert das BFG, dass diese Bestimmung keine Anwendung im Steuerrecht findet. Das Steuerrecht knüpft an tatsächliche wirtschaftliche Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entstehung des Steuertatbestandes an. Mit der Verwirklichung des Steuertatbestandes entsteht die Steuerschuld, die nicht durch nachträgliche privatrechtliche Vereinbarungen beseitigt werden kann. Dieser Tatbestand ist auch auf den umgekehrten Sachverhalt anzuwenden, da durch eine Rückbeziehung eines Ereignisses auf frühere Zeiträume auch kein (rückwirkendes) Steuerschuldverhältnis begründet werden kann. Da es sich bei der ursprünglichen Vereinbarung um keine Betriebsvereinbarung im Sinne des ArbVG handelte, bewirkt die nachträgliche Genehmigung durch den (neu errichteten) Betriebsrat im Jahr 2022 keine steuerliche Rückwirkung und führt nicht zum Wegfall des Abgabenanspruchs. Das Taggeld war daher steuerpflichtig zu behandeln.